Meine Reitergeschichte oder wie ich wieder ein Reiter wurde
Ohne Pferde gäbe es mich vermutlich nicht. Meine Eltern haben sich auf einer Reitjagd kennengelernt bzw. auf der Party danach. Mein Vater ist die Jagd mitgeritten und meine Mutter war bei den Jagdhornbläsern. Eigentlich ist mir der Reitsport somit in die Wiege gelegt worden und es kann gut sein, dass ich schon als Kleinkind mal mit aufs Pferd gesetzt wurde. Leider wollte es das Schicksal nicht, dass ich bei meinen Vater aufwachse, sondern bei meiner Mutter, die sich eigentlich gar nicht für Tiere interessiert. Zum Glück gab es Mädels in der Verwandtschaft, die Reiten gingen und so durfte ich als Grundschulkind mit dem Reiten lernen anfangen. Das war 1985, also schon ne ganze Weile her, und sehr ungewöhnlich für diese Zeit ging es nicht in eine konventionelle Reitschule. Ich lernte Reiten bei einer Frau, die ihre Pferde in Lauf-/Offenstallhaltung hielt und Horsemanship praktizierte, auch wenn es den Begriff damals so noch nicht gab. Jedenfalls nicht in Deutschland, denn zur der Zeit standen Pferde, vor allem Schulpferde, noch in Ständerhaltung.
Ich lernte also etwas anders reiten, mehr im Freizeit-/Westernreiterstil. Mehrere Pferde hatten Westernsättel und wurden eher mit langen Zügeln geritten, teils auch gebisslos. Ich erinnere mich noch daran, dass es nach jeder Übungseinheit als Belohnung ein kleines Stück trockenes Brot gab und ich immer so einen kleinen Beutel umhängen hatte. Ich ritt zuerst auf einem Shetty, dann auf anderen Pferden. Für jede Körpergrösse gab es eins, auch ein süddeutsches Kaltblut war dabei. Mein Liebling war ein Araber, der leider irgendwann den Stall wechselte. Danach ritt ich einen Falben, ich vermute ein Quarterhorse. Nach drei Jahren auf dem Hof wollte ich weg. Ich wollte anders reiten, richtig reiten, dachte ich damals. Mich störten die Westernsättel, denn damit konnte man nicht springen. Ich hatte parallel schon in einer anderen konventionellen Reitschule mit Reitstunden angefangen, auf großen Warmblütern. Dadurch gab es logischerweise eine gewisse Konfrontation der Reitweisen. Ums kurz zu machen, ich blieb bis heute bei der englischen Reitweise, auch wenn das bei vielen eher andersrum läuft. Dennoch hat mich der pferdefreundliche Umgang auf dem ersten Hof geprägt und ich finde es gut, dass diese Geisteshaltung immer mehr in die Englischreiterei integriert wird.
In den darauffolgenden Jahren nahm ich in verschiedenen Reitschulen Unterricht. Meistens waren es sogar Privatpferde, die für den Unterricht zur Verfügung gestellt wurden. Nur leider wurden sie spätestens nach paar Monaten verkauft. So richtig wohl fühlte ich mich erst wieder in einem damals Ende der 80er nagelneu gebauten Stall. Die Pferde hatten entweder Fenster- oder Paddockboxen. Der Reitlehrer war gut und ich lernte so viel mehr, konnte mein kleines Reitabzeichen machen und durfte mit meinem Lieblings-Schulpferd ein paar Turnierprüfungen mitreiten.
Parallel zum Reitunterricht hatte ich ab 1986 das Glück meine erste Reitbeteiligung zu finden.
Leider wurde das Pferd den Sommer über auf eine Wiese gestellt und das Sattelzeug blieb im Winterstall. Ich suchte mir neue Reitbeteiligungen und fand neben Isländern in einem Jahr, in einem anderen Jahr einen privaten Rennpferdestall. Naja, eigentlich durfte ich dort Pferdeboxen misten und im Austausch dafür mal gelegentlich auf einen der Vollblüter drauf, sie liefen aktiv auf der Rennbahn und waren nicht gerade das passende Reitpferd für ne 13-jährige.
In den Schulferien konnte ich als Teenager mehrfach Reiterurlaub machen, darunter waren ein riesiges Islandpferdegestüt, ein Trakehnergestüt und ein Ferienhof für Kinder. Auf letzterem war ich dreimal, weil es dort einfach die tollsten Pferde hatte, ich endlich Springen durfte, wir herrliche Ausritte machten und mit den Pferden im See schwimmen gingen. Dort verliebte ich mich in ein Pferd und wollte es unbedingt haben. Ein dunkelbrauner Württemberger mit viel Trakehnerblut und einem süßen Stern auf der Stirn. Meine Mutter kaufte ihn mir natürlich nicht, sondern schenkte mir zu Weihnachten ne Tüte Pferdeäpfel! Was sie ganz witzig fand und wohl für pädagogisch sinnvoll hielt, ich habe nur geheult. Drei Jahre später bekam ich dann doch ein Pferd geschenkt. Der damalige Besitzer hatte es irgendwie geschafft, sie zum Kauf zu überreden. Zu der Zeit kümmerte ich mich seit zwei Jahren so gut wie ganz alleine um seine drei Pferde. Eine Traberstute, mit der ich meinen Reiterpass gemacht hatte, ihren Sohn, ein halber Trakehner, den ich an Sattel und Longe gewöhnt hatte, der aber noch nicht eingeritten war und mein zukünftiges Pferd, ein Anglo-Araber-Connemara-Mix. Andernfalls wäre das Pferd zum Schlachter gekommen, hatte der Besitzer gedroht, obwohl es absolut gesund war. Das wirkte! Der Deal war allerdings, dass ich meinen Führerschein dann selber zahle und ein Auto gab es auch nicht.
Da hatte ich also mein erstes eigenes Pferd ganz überraschend bekommen. Ich war das erste Jahr Selbstversorger, danach kam er in einen kleinen Privatstall und viele Jahre später in einen Pensionsstall. Ich machte Abi, fing das Studium an und sparte jeden Pfennig für Führerschein oder Pferd. Für Turniere hatte ich kein Geld und bekam auch keine Unterstützung, also ritt ich nur zum Spaß, meistens im Gelände. Den Führerschein und mein Universitätsdiplom habe ich natürlich längst, doch das Pferd nicht mehr. Er lebt inzwischen nicht mehr, er war 15 Jahre lang an meiner Seite, dann war ich leider gezwungen ihn zu verkaufen. Das war ganz schrecklich und ich bin selbst heute noch darüber sehr traurig. Er lebte noch fünf weitere Jahre bei der neuen Besitzerin. Ich bin in diesen fünf Jahren auf keinem einzigen Pferd mehr gesessen. Reiten spielte keine Rolle mehr in meinem Leben. Die ersten Jahre im Berufsleben, Umzug in eine neue Stadt, neuer Freund. Pferde? Fehlanzeige!
Ich weiß garnicht mehr was der genaue Auslöser war, vielleicht weil ich auf dem Weg zur Arbeit von der Autobahn aus öfters Reiter im Feld gesehen hatte? Eines Morgens sah ich einen Reiter auf einem tollen Pferd im Frühnebel über die Felder traben. Ich erinnerte mich an dieses Gefühl auf einem Pferd durch die Landschaft zu reiten. Möglicherweise war es dieser Eindruck der mich dazu brachte meine alten Reitklamotten rauszusuchen. Leider passte ich nicht mehr rein und kaufte alles neu. Ich suchte mir die Adressen verschiedener Reitschulen raus und testete mehrere aus. Ich wollte gleich in der ersten Stunde wieder galoppieren, was die Reitlehrerin total erstaunte, das würden Wiedereinsteiger nie machen. Ich schon. Es war toll und der Muskelkater hielt eine Woche an. Mit den Schulpferden war ich nicht lange glücklich und suchte mir eine Reitbeteiligung. Ich fand eine liebe ältere Stute, mit der ich wie früher ins Gelände reiten durfte, nur das Gelände war eben ein anderes. Leider wurde sie krank und musste eingeschläfert werden. Ich suchte wieder eine neue Reitbeteiligung und fand einen jungen Wallach, der noch recht wenig konnte. Die dressurmässige Arbeit tat aber auch mir gut, als Geländerreiter kennt man keinen Spiegel.
Der Gedanke an ein eigenes Pferd kam verständlicherweise wieder auf. Man könnte sich ja mal umsehen. Ziemlich schnell hat es bei einem Verkaufspferd Klick gemacht. Wieder ein Wallach, dunkelbraun, halber Trakehner. Was denn sonst?! Er ist gut ausgebildet, nicht mehr der jüngste und hat leider, wie sich dann herausstellte, ein paar gesundheitliche Baustellen, die derzeit nach langer Behandlungsphase im Griff sind. Dadurch habe ich mich soviel wie noch nie mit den Themen Gesundheit, Biomechanik und Fütterung bei Pferden beschäftigt. Er ist jetzt (2017) im zweiten Jahr bei mir und ich hoffe, er bleibt weiterhin fit und solange er lebt bei mir.
Mal sehen wie sich mein Reiterleben weiterentwickelt… Träume und Wünsche, die ich als junges Pferdemädchen hatte, haben sich leider nicht verwirklichen lassen. Doch auch “ältere” Pferdemädchen haben noch Träume und klitzekleine Ziele. Manchmal spielt einem das Schicksal komische Streiche, dass man eventuell eines Tages dort wieder anknüpfen kann, wo einen ein anderes Leben auch direkt hätte hinbringen können.