Gibt es berechtigten Neid im Reitsport?

“Der Neid der Menschen zeigt an, wie unglücklich sie sich fühlen, und ihre beständige Aufmerksamkeit auf fremdes Tun und Lassen, wie sehr sie sich langweilen.” (Schopenhauer)

geldbörse500erScheineDiese ständige Neid-Diskussion im Reitsport! Ein Thema, das mir so langsam richtig auf den Senkel geht.
Die einen sind Täter, die anderen sind Opfer und dann gibt es die Mediatoren, die alle bitten, nett zueinander zu sein und jedem sein Glück oder den Erfolg zu gönnen. Man soll nur konstruktive Kritik äußern und sich Bitteschön mit anderen mitfreuen. ‘Shitstorm‘ ist verboten, am liebsten nur ‘Candystorm‘.

Von den Angegriffenen werden nach einer Neid-Attacke langatmige Labervideos gedreht, um sich zu rechtfertigen, zu erklären, zu verdeutlichen wie doof und gemein das doch von den bösen Neidern ist und es ein Charakterfehler sei. Es wird teilweise sogar behauptet neidische Menschen haben Probleme mit sich selbst, sind irgendwie gestört und abnormal. Oder man stellt sie sich als freakig aussehende Honks vor, also keinesfalls normale nette Menschen, wie du und ich.

Wozu schreibe ich jetzt nen Text dazu?
Ganz einfach um meinen Senf aus meiner Perspektive dazu abzugeben und um zu sagen, dass die Welt nun mal ungerecht ist. Der Reitsport bleibt, trotz Ponyhofwelt, nicht außen vor. Im Gegenteil, hier spiegeln sich die gesellschaftlichen Gegebenheiten sehr gut wieder. Pferdeliebhaber gibt’s nun mal in jeder Einkommensschicht. Die einen machen selbstgezimmerte Offenstallhaltung mit Plastikplanenwindschutz, die anderen stellen ihre Pferde in die handgeschnitzte Eichenholzbox mit Swarovski-Kronleuchter an der Decke. Jeder wie er will und der Geldbeutel hergibt.

Gab es Neid früher auch schon im Reitsport?
Na klar! “Der Paul mit seinem neuen Gaul sahnt heute aber ganz schön die Preise ab! Mit dem Deister spring ich dir auch über alles.” Hat man früher wie heute gehört.
Ist heutzutage etwas anders?
Ganz klar das Medium Internet, die Sichtbarkeit durch die große anonyme Masse, die sich verstärkenden Einkommensunterschiede und das tatsächliche Wissen über andere. Das Internet ist aus meiner Sicht ein Multiplikator, bietet eine riesige Plattform für ein tägliches ausuferndes Showlaufen und öffnet Blicke hinter verschlossene Türen. Auch offline gab und gibt es Hater und dumme Kommentare, nur nicht so viele.

Früher gabs im Reitstall diesen ganzen Style-Hype nicht, der vor allem durch Instagram und YouTube nach oben gepushed wird. Man sah nicht so viele Menschen und bekam nicht so viele Einblicke in das was sie besitzen. Das Internet potenziert Neidgefühle, weil man ansonsten nichts über die Menschen weiß. Früher konnte man das besser einordnen, vor allem auf dem Dorf, da wußte man genau wer aus welcher Familie jemand kommt und woher die Besitztümer kamen. Heutzutage glauben manche die Leute im Netz zu kennen, doch das ist ein Trugschluss.
Weiß man von den ganzen Reitsportbloggern, YouTubern oder Instagram(m)ern woher die Kohle kommt? Vor allem wenn es junge Mädchen sind? Die präsentieren sich und ihren Besitz, die teuren Dressurkracher mit Spitzenabstammung, die hundertste Eskadron-Schabracke oder die teuren Maßreitstiefel. Doch kaum einer der Zuschauer weiß ob das ne Tochter eines bonzigen Unternehmers ist oder ob sie nebenbei noch kellnern geht und sich alles mühsam zusammenspart? Erst wenn man so ein wenig mehr weiß, relativiert sich das ganze Bild.

Wie können wir bei neugierigen und für uns selbst teils nervigen Fragen und Kommentaren den Unterschied zwischen bös- und gutwillig unterscheiden? Wenn man Menschen nicht kennt, wird das online sehr schwierig und die Stimmungen schaukeln sich leider dann hoch, vor allem dann wenn sich Menschen persönlich angegriffen fühlen und enden nicht selten in einem Kontaktabbruch. Blockieren von Usern statt kommunizieren ist ja groß in Mode.

Um so etwas zu vermeiden hilft ein gewisses Maß an Offenheit und Akzeptanz. Von wem? Ich finde von denen, die beneidet werden. Wenn es ihnen ein so großes Bedürfnis ist, ihren Besitz zu zeigen, was ihnen ja wohl auch ein gutes Gefühl gibt, dann sollte derjenige sich im klaren sein, dass unterschiedliche Reaktionen kommen werden. Mit diesen Reaktionen gilt es umzugehen. Sicherlich fällt es leichter, nur die positiven anzunehmen. Den negativen muss man eben richtig entgegnen. Entweder ignoriert man sie am besten komplett oder versucht sich mal in die Situation derjenigen zu versetzen, die neidisch sind. Vielleicht hilft es dem ein oder anderen zu erklären wieso man sich das alles leisten kann oder erreicht hat?
Ebenso kann ein Neider lernen die unterschiedlichen Voraussetzungen unter denen andere leben und ihren Vorteil draus ziehen, zu akzeptieren. Es bleibt ihnen eigentlich auch nichts anderes übriges. Neid ändert nicht wirklich etwas bei demjenigen, der beneidet wird.

Nur der Neid bleibt trotzdem, selbst wenn man akzeptieren lernt?
Die die neidisch sind empfinden einen Mangel, wollen auch etwas haben, was andere besitzen, erlangen oder können. Bringt das denen, die sie beneiden etwas? Aufmerksamkeit vor allem. Manch einer schafft es, damit noch mehr Kohle zu machen.

Was bringt es den Neidern?
Eine YouTuberin hatte ein Video dazu gemacht, in dem sie erklärte, dass die Neider sich besser fühlen, wenn sie sich mit ihrem Neid und ihrer missgünstigen Kritik über andere stellen. Tun sie das? Kurzfristig mag das so sein. Wenn man vor lauter Wut, der ungerechten Welt gegenüber, sich einfach mal entsprechend äußern kann. Langfristig hilft es sicherlich nicht. Es ändert ja nichts. Es wird immer Unterschiede in der Finanzkraft geben. Ob geerbt, gewonnen, erschlichen oder ehrlich verdient. Genauso wie wir als einzelne Personen unterschiedlich sind. Unterschiedlich gut aussehen, reden, denken, schreiben oder schnell laufen können. Es wäre doch langweilig, wenn wir alle gleich wären!

Übrigens stellen sich die Moralapostel dann ebenso über die Neider, in dem sie behaupten, die besseren Menschen zu sein.

Man soll daher nicht neidisch sein? Allen anderen immer ihr Glück oder ihren Erfolg gönnen? Das bessere Pferd, die schönere Schabracke, die goldene Schleife?
Soll man diese Leute einfach ebenso ignorieren? Ja, das ist eine Möglichkeit.

Wann macht Neid überhaupt einen Sinn? Ich denke, dann wenn man diesen nutzt, um sich selbst zu motivieren, Zustände zu ändern, mit denen man nicht zufrieden ist.

Ich finde Neid gehört sehr wohl zum Reitsport dazu, er gehört zum Leben dazu. Neid darf geäußert werden. Neid ist ein mögliches Werkzeug der Wissbegierde, in Erfahrung bringen wie es jemand zu etwas geschafft hat, auf den man neidisch ist, sofern man es wirklich als Neid bezeichnen kann. Das hilft einem weiter.
Böswilligen Neid, um andere fertig zu machen und sie zu beleidigen, das lehne ich ab und es macht keinen Sinn. Neid ist dann berechtigt, wenn man daraus etwas Gutes und konstruktives entstehen lässt. Wenn man an sich selbst arbeitet, Dinge erschafft, die einen selbst, im besten Fall noch andere, glücklich machen, ist “Neid” etwas positives. Eine Triebfeder zur persönlichen Weiterentwicklung. Darauf können dann wieder andere neidisch sein!

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